![]() Newsletter - Arbeitgeber-Rechte Betriebsrat:Aktuelle Ausgabe vom 10.04.2006Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie erhalten heute Ihre neue Ausgabe von "Arbeitgeber-Rechte
Betriebsrat".
Viel Spaß beim Lesen! Die Themen dieser Ausgabe:
Zwangsmitgliedschaft im Arbeitgeberverband ist verfassungswidrigEin Arbeitgeber übernahm eine Klinik und mehrere Pflegezentren, die vorher vom Landkreis betrieben wurden. In Vorbereitung des Betriebsübergangs schloss er mit dem Landkreis und dem zuständigen Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, in der er sich dazu verpflichtete, Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband zu werden und auch dauerhaft zu bleiben.
Nach Vollzug des Betriebsübergangs entschloss sich der Arbeitgeber,
seine Vollmitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband in eine so
genannte Gastmitgliedschaft umzuwandeln. Auf die Arbeitsverhältnisse hätte
das keine Auswirkungen gehabt, insbesondere sollte der Tarifvertrag des
öffentlichen Dienstes auch weiterhin Anwendung finden. Dennoch
protestierte der Betriebsrat und berief sich auf die vor dem
Betriebsübergang geschlossene Betriebsvereinbarung, in der sich der
Arbeitgeber zur Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband verpflichtet
habe. Der Betriebsrat beantragte deshalb im Beschlussverfahren, die
Vollmitgliedschaft wiederherzustellen. Voll- oder Gastmitgliedschaft, das
war hier nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG)
Schleswig-Holstein nicht die Frage. Das LAG wies den Antrag des
Betriebsrats schon deshalb zurück, weil die Verpflichtung des Arbeitgebers
zur dauerhaften Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nichtig sei. Sie
verstoße gegen seine grundgesetzlich durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG)
garantierte Freiheit, sich einem Arbeitgeberverband anzuschließen oder
wieder auszutreten (sog. Koalitionsfreiheit).
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.12.2005, Az.: 3 TaBV 20/05
(nicht rechtskräftig)
Koalitionsfreiheit auch für Arbeitgeber
Artikel 9 Abs. 3 Satz 1 GG schützt neben dem Recht, eine sog.
Koalition zu gründen oder einer bestehenden Koalition beizutreten, auch
das Recht, sich keiner Koalition anzuschließen oder aus ihr wieder
auszutreten (sog. negative Koalitionsfreiheit). Abreden, die dieses Recht
einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig und hierauf gerichtete
Maßnahmen rechtswidrig. Aus diesem Grunde sind Regelungen in
Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, durch die Sie als Arbeitgeber
dazu verpflichtet werden sollen, die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft
in einem bestimmten Arbeitgeberverband zu garantieren, unwirksam. Die
grundrechtlich garantierte Freiheit, aus einem Arbeitgeberverband
auszutreten, kann Ihnen nicht genommen werden. Das gilt auch für
freiwillige Abreden. Eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung
Ihrerseits, einem bestimmten Arbeitgeberverband beizutreten und diesem auf
Dauer anzugehören, ist aber ebenfalls unwirksam.
Hinweis: In vorliegender Angelegenheit hat der Betriebsrat
Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht eingelegt. Bis zur
abschließenden höchstrichterlichen Klärung sind Sie aber auf der sicheren
Seite, wenn Sie auf Abreden über Ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband
verzichten.
Vermeiden Sie diese Grundrechtsverstöße
Folgende Regelungen und Maßnahmen sind auf Grund der in Art. 9 Abs.
3 GG garantierten Koalitionsfreiheit unwirksam:
Versetzung: Betriebsrat darf Zustimmung nicht einfach verweigernEin als Flugkapitän beschäftigter Arbeitnehmer wurde fluguntauglich und sollte deshalb vom Flug- zum Bodenpersonal versetzt werden. Während der Betriebsrat des Bodenpersonals mit der Maßnahme einverstanden war, verweigerte die Personalvertretung des Flugbetriebs ihre Zustimmung.
Der Arbeitgeber leitete daraufhin das
Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Die Richter am Bundesarbeitsgericht
(BAG) gaben seinem Antrag statt und ersetzten die Zustimmung der
Personalvertretung des Flugbetriebs. Diese habe keinen Grund gehabt, ihre
Zustimmung zu der Versetzung zu verweigern.
BAG, Beschluss vom 22.11.2005,
Az.: 1 ABR 49/04
Zustimmung beider Betriebsräte einholen
Beschäftigen Sie mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer und
besteht in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat, müssen Sie diesen nach § 99 Abs.
1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor jeder Einstellung,
Eingruppierung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung eines
Mitarbeiters über die geplante Maßnahme unterrichten. Darüber hinaus haben
Sie seine Zustimmung einzuholen. Diese darf der Betriebsrat aber nur
verweigern, wenn einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe
tatsächlich vorliegt. Ihre geplante Versetzung also beispielsweise
gegen
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung grundlos oder aus anderen
als den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen, können Sie die Zustimmung
beim Arbeitsgericht ersetzen lassen. Planen Sie, den betreffenden
Mitarbeiter in einen anderen Betrieb Ihres Unternehmens zu versetzen, sind
– soweit in beiden Betrieben ein Betriebsrat besteht – sogar 2
Betriebsräte zu beteiligen:
Ihre Pflichten bei Versetzungen
Vor der beabsichtigten Versetzung müssen Sie gemäß § 99 Abs. 1
BetrVG
Wann müssen Sie Massenentlassungen anzeigen?In diesem Urteil geht es zwar um das Thema Massenentlassungen. Primär geht es aber um die Frage, ab wann Sie als Arbeitgeber an arbeitsrechtlich relevante Urteile des Europäischen Gerichtshofs gebunden sind.
Zum Hintergrund:
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG müssen Sie als Arbeitgeber eine
Massenentlassung der Bundesagentur für Arbeit anzeigen. Dabei galt
bislang, dass diese Anzeige auch noch dann erfolgen konnte, wenn sie nach
Ausspruch der Kündigungen erfolgt ist. Am 27. Januar 2005 hat aber (wie
berichtet) der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine solche
Anzeige stets VOR dem Ausspruch der Kündigungen erfolgen muss (EuGH zur
Auslegung der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG –MERL -).
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun die Frage zu klären, ob damit
Kündigungen, die vor dem Bekannt werden dieses Urteils ausgesprochen
wurden, unwirksam sind, oder nicht. Die klare Antwort: Sie bleiben
wirksam. Denn als Arbeitgeber genießen Sie nach Meinung der Richter
Vertrauensschutz. Im Juristendeutsch: „Einem kündigenden Arbeitgeber
können nicht rückwirkend Handlungspflichten auferlegt werden, mit denen er
nicht zu rechnen brauchte und die er nachträglich nicht mehr erfüllen
kann.“ Sprich: Alle Massenentlassungen, die VOR dem Bekannt werden des
Urteils des Europäischen Gerichtshofes erfolgt sind, sind selbst dann
wirksam, wenn Sie als Arbeitgeber die Massenentlassung erst nach Ausspruch
der Kündigungen bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt haben (BAG,
Urteil vom 23. März 2006 , Az. 2 AZR 343/05). Umgekehrt gilt aber auch:
Wenn Sie jetzt Massenentlassungen planen, dürfen Sie keine einzige
Kündigung aussprechen, bevor Sie der Agentur für Arbeit Meldung erstattet
haben.
Dieses Urteil ist deshalb von so großer Bedeutung, weil es Ihre
Rechte als Arbeitgeber stärkt. Sie müssen nicht rückwirkend mit bösen
Überraschungen rechnen, falls der Europäische Gerichtshof eine Regelung im
deutschen Arbeitsrecht verwirkt. Das ist zum Beispiel auch für das Urteil,
dass ältere Arbeitnehmer nicht wiederholt sachgrundlos befristet
beschäftigt werden dürfen, von Bedeutung.
So arbeiten Sie bei Massenentlassungen mit Betriebsrat und
Agentur für Arbeit zusammen
Beschäftigen Sie in der Regel mehr als 20 volljährige Mitarbeiter
und planen Sie eine Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für einen
erheblichen Teil der Belegschaft zur Folge haben kann (z.B. die
Stilllegung oder Verlegung von wesentlichen Betriebsteilen oder einen
Zusammenschluss mit anderen Betrieben), müssen Sie den Betriebsrat
unterrichten und die geplanten Änderungen mit ihm beraten (§ 111 BetrVG).
Ziel der Beratung ist ein Interessenausgleich darüber, ob, wann und wie
die Betriebsänderung praktisch durchgeführt wird und wie die Interessen
der Mitarbeiter dabei angemessen berücksichtigt werden.
Tipp: Vereinbaren Sie im Interessenausgleich eine
Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter, kann die soziale Auswahl
insgesamt seit dem 1.1.2004 nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit hin
überprüft werden (§ 1 Abs. 5 KSchG).
Sozialplan: Abfindungen für die Mitarbeiter
Wann immer ein Interessenausgleich versucht werden muss, sind Sie
auch verpflichtet, sich mit dem Betriebsrat auf einen Sozialplan zu
einigen (§ 112 BetrVG). Dabei geht es im Grunde darum, welcher Mitarbeiter
welche Abfindung bekommt. Die Kriterien entsprechen in der Regel ungefähr
denjenigen, die für die Sozialauswahl maßgeblich sind.
Tipp: Unter Umständen können Sie sich Abfindungszahlungen
ersparen, indem Sie gekündigten Mitarbeitern einen neuen
Arbeitsplatz vermitteln. Der Sozialplan sollte dann vorsehen, dass bei
Vermittlung zunächst keine Abfindung gezahlt wird. Für den Fall, dass auch
das neue Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt wird, sollte der
Abfindungsanspruch jedoch teilweise wieder aufleben (z.B. pro Jahr des
neuen Arbeitsverhältnisses um 1/5 reduziert).
Wenn keine Einigung möglich ist
Können Sie sich mit dem Betriebsrat nicht auf einen
Interessenausgleich oder einen Sozialplan einigen, können Sie oder der
Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung
ersuchen oder die Einigungsstelle anrufen. Führt auch dies nicht zu einer
Einigung, entscheidet die Einigungsstelle über den Sozialplan (Ausnahmen
gemäß § 112a BetrVG für Existenzgründer sowie bei Betriebsänderungen, die
ausschließlich Personalabbau bedeuten). Ein Interessenausgleich hingegen
ist nicht erzwingbar. Hier wird ggf. das Scheitern der Verhandlungen
festgestellt.
Die Anzeige an die Agentur für Arbeit
Planen Sie die Entlassung eines erheblichen Teils der Belegschaft
müssen Sie das der Agentur für Arbeit gemäß § 17 KSchG anzeigen, bevor Sie
die Kündigung aussprechen. Das gilt auch für von Ihnen veranlasste
Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen Ihrer Mitarbeiter sowie
Änderungskündigungen, soweit Ihre Mitarbeiter das Änderungsangebot
abgelehnt haben.
Zusätzlich erforderlich: Stellungnahme des
Betriebsrats
Wenn Sie einen Betriebsrat haben, müssen Sie diesen über die
geplante Massenentlassung schriftlich unterrichten und seine Stellungnahme
einholen (§ 17 Abs. 2, 3 KSchG). Der Anzeige an die Agentur für Arbeit
müssen Sie diese Stellungnahme beifügen. Liegt die Stellungnahme nicht
vor, ist Ihre Anzeige nur dann wirksam, wenn Sie der Arbeitsagentur
glaubhaft machen, dass Sie den Betriebsrat mindestens 2 Wochen vorher
unterrichtet haben. Außerdem müssen Sie dann über den Stand der Beratungen
berichten.
Wichtig: Kommen Sie Ihrer Anzeigepflicht nicht ordnungsgemäß
nach und berufen sich Ihre Mitarbeiter darauf, sind die von Ihnen
herbeigeführten Entlassungen unwirksam BAG, 13.4.2000, 2 AZR 215/99). Auch
einen bereits unterzeichneten Aufhebungsvertrag kann Ihr Mitarbeiter
erfolgreich als unwirksam anfechten (BAG, 11.3.1999, 2 AZR
461/98).
Anzeige erfolgt – wann endet das
Arbeitsverhältnis?
Massenentlassungen werden frühestens nach einer Sperrfrist von
einem Monat nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam,
auch wenn die Kündigungsfrist früher endet (§ 18 Abs.
1 KSchG). Ausnahme: Die Agentur für Arbeit stimmt der früheren Beendigung
der Arbeitsverhältnisse zu. Die Zustimmung ist rückwirkend bis
zum Tag der Antragstellung möglich. Ist die Kündigungsfrist bei
Antragstellung bereits abgelaufen, endet das Arbeitsverhältnis also nicht.
Sie müssen erneut kündigen. Wird die Zustimmung verweigert, sind bereits
erfolgte Entlassungen ebenfalls unwirksam. Die Agentur für Arbeit kann im
Einzelfall sogar bestimmen, dass die Entlassungen erst nach 2 Monaten
wirksam werden.
Beachten Sie: Spätestens 90 Tage nach Ablauf der Sperrfrist
müssen die Arbeitsverhältnisse tatsächlich enden (z.B. durch Ablauf der
Kündigungsfrist oder Aufhebungsvertrag). Andernfalls ist unter den oben
genannten Voraussetzungen eine erneute Anzeige bei der Agentur für Arbeit
erforderlich.
aus: Arbeitsrecht Premium
Anke Carnevale
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